Haushaltsrede 2023 von Bündnis 90/DIE GRÜNEN
Sehr geehrter Herr Bürgermeister Henkel, liebe Kolleginnen und Kollegen des Gemeindevorstands und der Gemeindevertretung, liebe Ortsbeiräte, liebe Gäste,
2022 – für uns alle unvorstellbar, ein Krieg in Europa wurde Wirklichkeit, begonnen durch einen Diktator, Putin. Unsere Vorstellung von Frieden und Sicherheit in Europa gelten nicht mehr. Der Krieg in der Ukraine hat Auswirkungen auf Deutschland, auf Europa und auf die ganze Welt.
Auch Flieden bekommt diese Auswirkungen unmittelbar zu spüren. Durch die Flüchtlingszuwanderung in der Großgemeinde entstehen der Verwaltung enorme Mehrarbeit und große Herausforderungen in Bezug auf Unterbringung, Logistik, Infrastruktur und Integration u.a. in Schulen und Kindergärten.
Lieferengpässe sind entstanden, Kosten für Heizung und Strom explodieren, Lebensmittelpreise gehen in die Höhe, eine steigende Inflation herrscht – das spüren wir als Bürger und stellt uns, die Industrie und das Gewerbe vor große Herausforderungen. Und es trifft UNS als Kommune.
Auch in Flieden wissen viele Menschen nicht, wie sie mit ihrem Gehalt die Lebenshaltungskosten decken können. Der Fliedener Tisch spürt diese Not in einer extremen Zunahme von Bedürftigen.
Wir als Kommune können -Dank der soliden Finanzwirtschaft unserer Verwaltung- solchen Ereignissen entspannter entgegensehen, denn anstatt des geplanten Minus über – 299.000 € werden wir auch im Jahr 2021 wieder ein positives Ergebnis von ca. Plus 860.000 Euro haben. Hier stehen wir also um ca. 1,1 Mio € besser da, als geplant.
Das liegt zu einem großen Teil auch an den überplanmäßigen Gewerbesteuer-Einnahmen. Dank der Gewerbetreibenden konnten Gewerbesteuern von rund 1 Mio. € MEHREINNAHMEN im Haushalt verbucht werden. Anstatt der erwarteten 1,6 Mio. ist der Gewerbesteuer-Betrag auf ca. 2,68 Mio € gestiegen. Das zeigt: Auch unter erschwerten Bedingungen in der Coronapandemie sind die Unternehmen in Flieden krisenfest.
Das gibt uns Zuversicht, dass wir die großen Aufgaben unserer Gesellschaft auch weiterhin leisten können. Denn: Bei all diesen Krisen, die zu meistern sind, dürfen wir nicht zulassen, dass unser Fokus auf nötige Veränderungen bezüglich des Klimawandels abgelenkt wird.
An dieser Stelle möchten wir gerne Claudia Kemfert, Professorin für Energiewirtschaft und Energiepolitik, und Leiterin der Abteilung Energie, Verkehr und Umwelt am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung, zitieren: „Klimawandel kostet Geld, Klimaschutz spart Geld. Es ist das Einmaleins des politischen Unternehmertums: Jeder Euro, den wir jetzt investieren, spart 15 Euro Klimaschäden ein. Klimaschutz zahlt sich aus. Es sind Investitionen in enorme wirtschaftliche Chancen.“
Die drohende Klimakatastrophe UND der Verlust der biologischen Vielfalt stellen eine Bedrohung für die Menschheit dar und fordern dringend Lösungen, bevor es zu spät ist. Beide Krisen hängen zusammen, verstärken sich gegenseitig und müssen darum auch gemeinsam angegangen werden. Wir müssen endlich handeln. Wir alle spüren inzwischen die Folgen des Klimawandels immer häufiger: Starkregenereignisse, Überflutungen, Stürme sowie Hitzewellen und langanhaltende Trockenheit wie im vergangenen Sommer, das ist die Situation auf unserm Planeten.
Deutschland hat das Ziel bis 2045 klimaneutral zu werden, bis 2030 soll der Anteil der Erneuerbaren an der Stromproduktion auf 80% gesteigert werden. Klimaschutz wird vor Ort, durch UNS, umgesetzt und wird auch von uns Investitionen einfordern. Vor allem die erneuerbaren Energien, Windkraft- und Solarenergie müssen schneller ausgebaut werden, denn die Realität des Klimawandels, unsere Versäumnisse in der Vergangenheit beim Umstieg auf Erneuerbare Energien holen auch uns vor Ort ein.
Daher freuen wir uns, dass der 1. Schritt unseres Antrages gemacht ist: Der Förderantrag für einen Klimaschutmanager für Flieden wurde 2022 eingereicht. Es gibt für den Klimaschutzmanager viele Einsatzpläne, z.B. in der Zuarbeit in der Verwaltung bei der Vergabe von Genehmigungen für Freiflächen-PV-Anlagen und beim Radwegekonzept. In der Unterstützung für Fliedener Bürger, die Informationen brauchen, z.B. zu PV-Anlagen auf ihrem Dach, zu aktuellen Förderungen in Bezug auf Veränderungen in ihrem Verhalten hin zu einer Verbesserung des Klimas.
Sehr positiv sehen wir die Entwicklung unseres Antrages zur „Naturnahen Grünpflege“, welcher erfreulicherweise EINSTIMMIG von ALLEN Gemeindevertretern mitgetragen wird, Veränderungen, hin zu mehr Artenschutz, zu unternehmen. Besser fänden wir es noch, wenn diese EINSTIMMIGKEIT auch nach außen transportiert wird, bei Bekanntmachungen im Blättchen. Durch die Arbeitsgruppe „Naturnahe Grünpflege“ wurde schon einiges erarbeitet. Bauamt, Bauhof und Gemeindevertreter entwickeln gemeinsam mit dem NABU einen Pflegeplan. Dieses Jahr werden einige Grünflächen naturnah gestaltet um mehr Biodiversität zu erhalten. Blühflächen sollen angelegt und einige bestehende Grünflächen naturnäher gestaltet und gepflegt werden. Der Anfang ist gemacht. Dies ist ein Prozess, in dem wir versuchen werden, Lebensräume für möglichst viele Arten zu schaffen und diese so zu schützen. Einige Bürger haben schon Interesse bekundet, einige Flächen naturnah kostenfrei zu gestalten. Ein Umdenken und Interesse ist zu sehen und weiter zu bewerben und zu pflegen.
Der Verwaltung, in diesem Fall insbesondere dem Bauamt und dem Bauhof, ein ausdrückliches DANKE! Das Bauamt erstellt die für die AG nötigen Flächenpläne, protokolliert die geplanten Maßnahmen und leitet Fortbildungen und Treffen zum Austausch mit anderen Kommunen in die Wege. Wir alle arbeiten dafür, zu prüfen, wo Wildblumenwiesen, Hecken, Feldraine, Feldgehölze angelegt werden können, um eine strukturreichere Landschaft mit Lebensräumen für weitere Tierarten zu schaffen, und wie wir diese pflegen können, um sie gleichzeitig zu erhalten.
Leider gibt es bei der Umsetzung dieses Beschlusses Hürden. Ein fehlender Schwerpunkt scheint bei einigen Gemeindevertretern darin zu liegen, genügend Geld in den Haushalt bereit zu stellen für z.B. Bäume zum Nachsetzen, nach Fällung vorhandener Bäume. Auch bzgl. Geld für Stauden oder Wildblumen-Samen für die Umsetzung von geplanten Flächen muss lange gerungen werden, bis dafür Geld da ist. 10.000 € für Samen und 20.000 € mehr für Bäume sind da scheinbar eine größere Summe. Dies scheint uns im Verhältnis zu den geplanten Gesamtausgaben im Haushalt 2023 über 21.7 Mio. € eher als eine Bagatelle.
Bäume tragen wesentlich zur Verbesserung des Ortsklimas bei. Hierbei spielen nicht nur größere Flächen und Bäume, sondern auch die vielen innerörtlichen privaten Bäume eine wichtige Rolle zur Verbesserung des Ortsklimas und Spenden wichtigen Schatten. Angesichts dessen halten wir es für erforderlich, das Thema Baumschutz mehr zu beachten.
Auch wünschen wir uns, dass es im Fliedener Haushalt zukünftig ein Produkt(gerne auch nur ein Produkt-Konto) für Artenschutz geben sollte, um diesem Thema die notwendige Wichtigkeit zuzuschreiben.
Es fällt uns in Flieden immer mal wieder auf, welch unterschiedliche Akzeptanz einiger Gemeindevertreter zu den verschiedensten Ausgaben gezeigt wird. Um dies deutlich zu machen, möchte ich an der Stelle ein paar Zahlen nennen:
Wir leisten uns u.a. rund 470.000 € jährliches Defizit für Gemeinschaftshäuser, rund 13.000 € jährliches Defizit für die Spielgolfanlage, rund 5.600 € jährliches Defizit für einen Werbepylon, und rund 8.000 € in 2021 für freies W-Lan in Schwimmbad und DGHs.
Wir möchten an dieser Stelle ausdrücklich betonen: Es geht uns nicht darum, diese Dinge in Abrede zu stellen, sondern es geht uns darum, gewohnte Selbstverständlichkeiten zu hinterfragen und offener zu werden für neue, wichtige Investitionsbereiche.
Denn: Wir vernachlässigen die ebenfalls wichtigen Themen wie Umweltschutz, Artenschutz und Klimaschutz.
Im Haushalt gibt es einen Hauptproduktbereich, Produkt 56110 „Umweltschutzmaßnahmen“ Eine Planzahl über 80.500 Euro für das Jahr 2023 ist enthalten. Darin enthalten ist ein Überhang aus dem Jahr 2020 über 50.500 Euro, welcher tatsächlich nicht umgesetzte Ausgleichsmaßnahmen für „Gewerbepark Autobahn“ und „Flächenausgleich Gewerbe-Gelände“ beinhalten. Diese geplanten Gelder werden jährlich weiterverschleppt, ohne davon auch nur 1 Euro für tatsächliche Umweltschutzmaßnahmen zu investieren. Lediglich Reisekosten wurden diesem Produktbereich mit 131,95 € verbucht.
Es ist uns bewusst, dass wir in Flieden bei Renovierungen und Umbaumaßnahmen auf energetische Richtlinien achten, u.a. in PV-Anlage oder den Elektrobus investieren. Aber die Zahl im Produktbereich „Umweltschutzmaßnahmen“ zeigt uns den deutlichen Handlungsbedarf für Maßnahmen zum aktiven Umweltschutz. Denn auch hier gibt es Richtlinien. Mit dem „Biodiversitätsstärkungsgesetz“ hat das Land Hessen den Natur- und Artenschutz nach vorn gebracht. Die Umsetzung müssen WIR machen.
Einer unserer Anträge ist auch die Aktion Zukunftsprozess: Dorfentwicklung 2030, die dieses Jahr hoffentlich Thema in Flieden sein wird. Neuhof hat dieses Programm schon erfolgreich abgeschlossen und dieses hilft ihnen, viele nötige Veränderungen koordiniert anzugehen. Dieses wünschen wir uns auch für Flieden. Wie soll Flieden 2030 aufgestellt sein? Wie sieht der Kernort aus? Wie soll er sich entwickeln? Auch im Bezug zu Neubauten, zur Gestaltung im Ortskern. Wie gehen wir mit dem demografischen Wandel um? Im Haushalt ist es erwähnt: Seit 2017 gibt es (mit Ausnahme von 1 Jahr) rückläufige Einwohnerzahlen. Zudem steigt das Durchschnittsalter in Flieden von aktuell 45,8 Jahren auf 49,4 Jahre in 2035.
Diese Veränderungen müssen wir bei unseren Planungen als Entscheidungsgrundlage aufnehmen.
Große Projekte wie der Umbau des Schwimmbades liegen vor uns, das seit langem geplante Gemeindezentrum beschäftigt uns. Um diese großen Maßnahmen umzusetzen und dabei nicht die Belange der Bürgerinnen und Bürger zu vergessen, braucht es eine starke und mutige Gemeindevertretung sowie einen starken und mutigen Gemeindevorstand.
Wir begrüßen sehr die Bildung eines Inklusionsrates in Flieden. Es ist ein wichtiges und schönes Ziel, neue Strukturen zu finden und zu schaffen, die allen Menschen, auch den Menschen mit Behinderung ermöglichen, ein Teil unserer Gesellschaft zu sein.
Im Namen der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen bedanken wir uns bei der Verwaltungsführung und allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Gemeindeverwaltung für den hohen Einsatz und die gute Zusammenarbeit im vergangenen Jahr. Ein besonderer Dank gilt an unseren Kämmerer, Michael Winter, für die Erstellung des Haushaltplan 2023 und die geduldige Beantwortung so mancher Frage.
Unser Dank gilt auch allen Kolleginnen und Kollegen der Gemeindevertretung für die konstruktive Zusammenarbeit. Wir wünschen uns, dass wir auch im nächsten Jahr offen und sachlich diskutieren. Ein Dank auch an alle Bürgerinnen und Bürger für ehrenamtliches Engagement in vielen Bereichen und für Beiträge, Anregungen und die intensive Mitwirkung an den Veranstaltungen, bei denen es um die Zukunft unserer Großgemeinde geht.
Wir erkennen das Geleistete an, fordern aber ganz klar aktives Handel in der Umwelt- und Klimapolitik und freuen uns auf eine überparteiliche Zusammenarbeit in der nicht das Parteiinteresse Primat ist, sondern das Wohl der Bürgerinnen und Bürger.
Und so schließe ich mit einem weiteren Zitat von Claudia Kemfert: „Klimaschutz tut nicht weh – Kein-Klimaschutz tut weh.
Fraktion Bündnis 90/DIE GRÜNEN
Flieden, 25.01.2023