Offener Brief an Michael Brand


Offener Brief
FZ v. 29.Mai 2019/S.6 

Lieber Michael Brand,

vieles, was Du in obigem Kommentar in der Fuldaer Zeitung beschreibst, kann ich unterschreiben und mittragen. Die globale Welt ist kompliziert und wir als Deutschland werden sie nicht für den Menschen retten. Aber wir können unseren Beitrag dazu leisten. Wenn Du allerdings den Grünen „grob gestrickte Antworten“ auf komplexe Zusammenhänge unterstellst und damit suggerierst, dieses wäre ein Grund für den CDU-Wählerschwund, sage ich: dieses Klientel, welches mit Eurer Politik nicht einverstanden ist und einfache Antworten haben möchte, verliert Ihr an die AfD, nicht an die Grünen.
Unsere Ansätze sind komplex und ganzheitlich und haben u.a. deshalb bei den Wähler*innen über Jahre hinweg nicht die entsprechende Resonanz gefunden. Dass Deine Ausführungen nur die halbe Wahrheit sind, werde Dir an einigen Beispielen erläutern:


Jahrelang wird von Deiner Partei nichts oder wenig unternommen:

Die Atomkraft wurde verharmlost, der geplante Atomausstieg von Rot-Grün wurde zurück genommen, bis es dämmerte, wie gefährlich das gesamte Szenario ist einschließlich der bis heute noch immer ungeklärten Endlagerung ist. Der überstürzte Ausstieg vom Ausstieg war die Folge, die Energiewende wird aber nur halbherzig angegangen.

Die Grünen entwickelten gemeinsam mit Umweltinstituten einen machbaren „Energiemix“, bei dem z.B. die Windenergie ein wichtiger Bestandteil ist. Die Blockade vieler Windenergiegegner hat den entsprechenden Parteien nicht die erhofften Stimmen beschert! Hier hätte es mehr Unterstützung und Courage gebraucht.

Schon 1997 fordert Kanzlerin Angela Merkel von der Autoindustrie die Entwicklung eines 3-Liter Autos, harte Konsequenzen wären ansonsten die Folge. Gar nichts ist hier geschehen! 20 Jahre lang nicht! Die Betrügereien der Autoindustrie sind bekannt. Politische Reaktionen sind sehr verhalten, und das kriminelle Verhalten der Akteure wird nicht konsequent geahndet.
Eine Nachrüstung wird blockiert. Die Kunden werden mit ihren Problemen allein gelassen.

Seit Jahrzehnten warnen nicht nur wir Grünen vor der Klimaveränderung. Diese wurde jahrelang geleugnet, Bilder von schmelzenden Gletschern und schmelzendem Polareis wurden ignoriert. Dass nun die weltweit vereinbarten Klimaziele in Deutschland nicht eingehalten werden können, ist einer der ersten Erklärungen der neuen Großen Koalition.

Die massenweise Produktion von Verpackungsmüll, der in die ganze Welt verschickt wird, ist national, hiergegen wird kaum was unternommen. Einwegflaschen und -dosen z.B. sind inzwischen wieder üblich. Viele alternative Ideen warten auf die Umsetzung.

Die unsittlichen Gehälter von Managern und Bankern werden nicht eingedämmt, Boni für unfähige Manager in unglaublicher Höhe nicht angeprangert. Sehr gut Verdienende werden zu wenig gehindert, Steuern zu hinterziehen. Firmen wie Amazon zahlen praktisch keine Steuern. Stört es jemanden an der Regierung, dass die Reichen immer reicher und die Armen immer ärmer werden?

Zum Thema Landwirtschaft lässt sich viel sagen. Dass immer mehr Familienbetriebe ihren Betrieb aufgeben müssen ist nicht nur der fehlenden Hofnachfolge geschuldet, sondern vor allem der mangelnden Unterstützung kleiner Betriebe. „Wachse oder weiche“ war jahrzehntelang das Motto. Die Subventionspolitik sowie die Verquickung von Politik,
Bauernverband und den wenigen großen Lebensmittelkonzernen fördern industrielle Großbetriebe und Massentierhaltung. Auf europäischer Ebene war der Alleingang des damaligen CSU-Landwirtschaftsministers in Sachen Glyphosat eine endgültige Bankrotterklärung für die Umweltpolitik. Kamen da etwa kritische Stimmen aus der Union? Hier sind dann auch so ein paar wohlgemeinte Blühstreifen nur ein Tropfen auf den heißen Stein.

Schließlich treibt die Menschen besonders in Großstädten, aber inzwischen aber auch in Wachstumsregionen um, dass es kaum mehr bezahlbaren Wohnraum gibt. Dass hier der freie Markt versagt hat, ist offensichtlich und es müssen dringend Lösungen her. Auch dieses ist seit langem bekannt, auch, dass hier keine schnelle Hilfe möglich ist. Aber der politische Wille,
Abhilfe zu schaffen ist nur sehr schwach ausgeprägt. Krücken wie Mietpreisbremse u.ä. helfen hier nicht.

Und als letztes möchte ich noch die Regulierungswut von staatlichen Institutionen anmerken, die gerade dem Mittelstand und Familienbetrieben, kleinen Firmen bei Ausschreibungen und der Landwirtschaft sehr viel zu schaffen machen. Auch dies führt zu dem Verdruss an den Parteien der großen Koalition.

Ich hoffe, ich hab Dir an einigen Beispielen vorführen können, dass die CDU vielleicht doch einmal grundsätzlich ihre Positionen überdenken sollte und die Selbstkritik etwas umfangreicher ausfallen sollte als in Deinem Beitrag in der Fuldaer Zeitung.

In diesem Sinne und weiterhin auf gute und vertrauensvolle Zusammenarbeit dort, wo wir gemeinsame Ziele vertreten.

mit freundlichen Grüßen
Helmut Schönberger

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