Haushaltsrede Bündnis 90/Die Grünen | Stadtfraktion |

Sehr geehrte Frau Stadtverordnetenvorsteherin,
sehr geehrte Damen und Herren,

die Eckpunkte des Haushalts sind hinreichend bekannt. Der Haushalt 2021 war von Ungewissheit geprägt – dank eines umsichtigen Haushalts, aber auch dank der Stabilisierung des KFA und der finanziellen Hilfen des Landes Hessen bei der Kompensation der Gewerbesteuerausfälle konnte das Jahr gut überwunden werden.

Nun ist für das Jahr 2022 eine Verbesserung beim Gesamtsteueraufkommen, beim Gewerbesteueransatz und den Schlüsselzuweisungen zu erwarten. Deshalb macht es aus unserer Sicht Sinn, in diesem Jahr die Hebesätze für die Gewerbesteuer und Grundsteuer nochmals nicht zu erhöhen.
Das ist ein wichtiges Signal in Richtung unserer Unternehmen – denn sie brauchen Zeit, um sich von der Krise zu erholen. Wir brauchen im kommenden Jahr zudem nachhaltige Konzepte, um unsere Innenstadt zu beleben, den Einzelhandel, die Gastronomie, die Kulturschaffenden und den Tourismus in unserer Region zu stärken.

Die Pandemie hat Spuren hinterlassen – sie hat nicht nur unsere Wirtschaft, sondern auch unser Gesundheitssystem vor große Herausforderungen gestellt.

Deshalb freuen wir uns, dass jetzt zum Ende der Haushaltsberatung ein Vorschlag zur Kapitalstärkung des Klinikums vorgelegt wurde. Wir hatten bereits zu Beginn der Haushaltsberatung einen entsprechenden Antrag in Höhe von 10 Millionen eingebracht und diesen zugunsten der Magistratsvorlage zurückgezogen. Die Aufstockung des Eigenkapitals ist ein klares Bekenntnis zum Klinikum in kommunaler Trägerschaft. Zinseinsparungen von einer halben Million Euro im Jahr geben mehr Handlungsspielräume, aber das allein wird nicht reichen. Bund, Land und der Landkreis sind auch hier zukünftig gefordert. Das bleibt eine der großen Aufgaben für die kommenden Jahre.

Ich möchte an dieser Stelle die Gelegenheit nutzen und mich auch im Namen meiner Fraktion bedanken. Bedanken bei den Menschen, die in diesem zweiten Coronajahr alles dafür getan haben, die Stabilität unseres Gesundheitssystems zu gewährleisten. Danke an das Klinikum Fulda und seine Mitarbeitenden, aber auch an alle Hausärzt*innen, Pflegekräfte und medizinischen Fachangestellten. Sie haben die medizinische Versorgung sichergestellt und sind dabei bis an ihre Grenzen gegangen. Das ist bemerkenswert und keineswegs eine Selbstverständlichkeit.

Sehr geehrte Damen und Herren, um so schwerer ist es zu verstehen, dass einige Menschen noch immer nicht bereit sind, sich impfen zu lassen. Sie riskieren nicht nur einen schweren intensivpflichtigen Krankheitsverlauf und damit die Überlastung unserer Intensivstationen, sondern gefährden vor allem vulnerable Personengruppen. Diese Pandemie kann nur gemeinschaftlich bewältigt werden – mit Vernunft, Einhaltung der Regeln zum Infektionsschutz und vor allem mit Impfen. Mit Impfen können wir eine gute Perspektive schaffen.

„Neue Perspektiven schaffen“ – unter diesen Titel stellte Dr. Wingenfeld seine Haushaltsrede. Neue Perspektiven schaffen – im Sinn, einen neuen Blickwinkel einzunehmen oder im Sinn einer neuen Zukunftsaussicht?

Im Punkt Geschlechtergerechtigkeit ist von einer neuen Perspektive, einem neuen Blickwinkel nichts zu merken. Und nein, Geschlechtergerechtigkeit ist kein grünes Wohlfühlthema, sie ist essentiell für unsere Gesellschaft. Gerade die Pandemie hat gezeigt, vor welchen Herausforderungen wir an diesem Punkt stehen und wie bedeutsam Gleichstellungspolitik ist. Gleichstellungsorientierte Haushaltsteuerung, die Benennung von Straßennamen nach Frauen, um bedeutsame Frauen sichtbar zu machen und um Parität herzustellen, oder ein Rückzugsraum für Stillende in der Innenstadt. Bei diesen Themen bleibt alles beim Alten – fast reflexartige Ablehnung gepaart mit zum Teil unsachlichen Kommentierungen. Vielleicht liegt das auch am Frauenanteil im Fuldaer Stadtparlament – denn der liegt gerade mal bei knappen 34 %.

Leider erfuhr auch unser Antrag für eine Übergangswohnung nach einem Frauenhausaufenthalt Ablehnung, der dringend notwendige Vertretungsstützpunkt für Kindertagespflegepersonen wird immerhin geprüft.

Neue Perspektiven schaffen im Sinne einer neuen Zukunftsaussicht? Im Bereich des Klimaschutzes, der Verkehrswende und der nachhaltigen Stadtentwicklung ist davon leider nichts zu merken. Die Uhr tickt, wenn es um das Erreichen des 1,5-Grad-Ziels geht, Fulda verschläft es erneut, die notwendigen Weichen zu stellen.

Neue Perspektiven sind mit den eingehegten Stimmen der FDP auch nicht zu erwarten gewesen. Es geht einfach weiter im alten Trott: Das Auto hat weiterhin Vorfahrt; mehr Radwege in der Innenstadt, mehr Verkehrssicherheit für Radfahrende, mehr Fahrradabstellanlagen – absolute Fehlanzeige. Investiert wird nur dann, wenn Fördergelder zu erwarten sind – dank der Zuweisungen aus den Programmen „Stadtgrün“ und „Stadtumbau“ aus Bund und Land wenigstens dann.

Liebe Kolleg*innen der neuen Koalition, worauf warten Sie, wenn es darum geht, längst überfällige Entscheidungen für mehr Klimaschutz und Nachhaltigkeit zu treffen?

Es gibt keinen vernünftigen Grund, einen Klimarat abzulehnen – außer, dass es ein Antrag der Opposition ist. Lehnen Sie doch bitte in Zukunft Anträge nicht ab, nur weil sie aus unserer Feder stammen. Uns ist völlig unklar, warum Sie eine Förderung von Gründachanlagen nicht als sinnvoll erachten, den Ausbau von Photovoltaik auf kommunalen Dächern nicht in doppelter Geschwindigkeit voranbringen wollen und Sie keine Notwendigkeit darin sehen, Fördermittel für eine energetische Gebäudesanierung bereitzustellen. Uns läuft die Zeit weg, Klimaschutz ist keine Kür, sondern Pflicht, vor allem für eine Stadt, die zu den hessischen Klima-Kommunen gehört.

Und wenn Sie sich dann entschließen, einen grünen Antrag in einen Prüfantrag umzuwandeln, um zustimmen zu können, dann prüfen Sie bitte nicht vier oder fünf Jahre, bis Sie endlich in die Umsetzung kommen. Im Jahr 2017 haben wir den Antrag für ein Mehrwegbechersystem gestellt, im Herbst 2021 ist es umgesetzt – schön, aber für meinen Geschmack dauert das deutlich zu lange. Rechnen Sie sich einfach einmal aus, wieviel Müll hätte vermieden werden können – der durchschnittliche Pro-Kopf-Verbrauch liegt bei 36 Einwegbechern im Jahr!

Im Jahr 2016 haben wir einen Antrag zur „Konzeptentwicklung Essbare Stadt Fulda“ gestellt. Der Antrag wurde als typisch grüne, völlig utopische Idee abgetan und krachend abgelehnt. Schön zu lesen, dass er nun, gerade mal fünf Jahre später, umgesetzt werden soll.

An dieser Stelle geht unser Dank an das Umweltzentrum Fulda für die engagierte Arbeit im Bereich der Umweltbildung. Nach unserer Auffassung bedarf es aber auch hier einer personellen Stärkung, um die Nachhaltigkeitsstrategien in der Region erfolgreich umsetzen zu können.

Der Haushaltsplanentwurf enthält auch Positives, das will ich nicht unerwähnt lassen, seien es die 400.000 Euro zusätzlich für Kulturveranstaltungen, die Prüfung einer dauerhaften Museumshofüberdachung für mehr Kultur oder unser gemeinsames Bestreben, jüdisches Leben noch sichtbarer zu machen.

Wir haben mit 40 Anträgen unsere Perspektive zum Haushalt eingebracht, um auch in diesem Jahr einen Schritt in Richtung sozial-ökologische Transformation zu gehen.

Wie sähe Fulda aus, wenn wir Grünen an Entscheidungen maßgeblich beteiligt wären? Es wäre eine Stadt, in der Bäume mit Hilfe einer Satzung rechtssicher geschützt werden, Fahrradfahrer und Fußgänger in der Innenstadt gleichberechtigt
mit Autos sind, Blindenleitsysteme und Fahrradwege nicht einfach im Nichts enden, eine kommunale Wohnungsbaugesellschaft mehr bezahlbaren Wohnraum ermöglicht, ein Fördertopf Jugendprojekte verwirklicht, Nachmittagsbetreuung für alle Grundschulkinder vorhanden ist und allen Menschen durch Leichte Sprache
kulturelle Teilhabe ermöglicht wird. Grüne Utopien? Nein, das nennen wir neue Perspektiven schaffen.

Leider fehlt der Mehrheitsfraktion der Mut oder der Wille, endlich den entscheidenden Perspektivwechsel zu wagen. Vor allem wird erneut versäumt, die Weichen für Klimaschutz und Nachhaltigkeit zu stellen. Aus diesen Gründen können wir dem Haushalt nicht zustimmen.

Unser Dank geht an die Mitarbeiter*innen der Verwaltung, an alle städtischen Mitarbeiter*innen und alle ehrenamtlich Tätigen – ohne sie wären die großen Herausforderungen des vergangenen Jahres nicht zu bewältigen gewesen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, lassen Sie mich, mit Blick auf unsere Intensivstationen an alle Unentschlossenen appellieren: Impfen ist mehr als nur der eigene Gesundheitsschutz, es ist ein Gebot der Solidarität. Es schützt uns gegenseitig: unsere Kinder, unsere Eltern, unsere Großeltern, Geschwister und Freunde – all die Menschen, die uns am Herzen liegen. In diesem Sinne wünsche ich besinnliche Weihnachtstage.

Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit und bleiben Sie gesund.

Silvia Brünnel, 16.12.2021

Foto: Walter M. Rammler

Artikel kommentieren

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert. Mit der Nutzung dieses Formulars erklären Sie sich mit der Speicherung und Verarbeitung Ihrer Daten durch diese Website einverstanden. Weiteres entnehmen Sie bitte der Datenschutzerklärung.

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.