Sehr geehrte Frau Stadtverordnetenvorsteherin,
sehr geehrte Damen und Herren,
lassen Sie mich zu Beginn einige Worte zur pandemischen Situation sagen, denn seit März dieses Jahres bestimmt das Virus unser Leben, in einer Tragweite, die Historiker*innen als Zäsur bewerten.
Viele Menschen stehen derzeit vor noch nie da gewesenen Herausforderungen, sind verunsichert und schauen voller Sorgen in das kommende Jahr. Sie sind auf der Suche nach Halt und Verlässlichkeit und verlieren dabei möglicherweise die Orientierung. In einer Zeit, in der wir nur gemeinsam einen exponentiellen Anstieg der Infektionszahlen vermeiden können, um das Gesundheitssystem zum Schutz vieler Menschenleben aufrechtzuerhalten, habe ich kein Verständnis für jene, die sich der Bewegung der sogenannten Querdenker und Corona-Leugner anschließen.
Wer mit Populisten, Rechtsradikalen und Reichsbürgern gemeinsam auf die Straße geht, muss sich im Klaren sein, was damit angerichtet werden kann.
Wir müssen uns die Frage stellen, woher der Vertrauensverlust in die Politik kommt und wie Demokratiebildung gestärkt werden kann. Ich bin davon überzeugt, dass wir mehr denn je gesellschaftlichen Zusammenhalt brauchen, um gemeinsam diese Krise zu bewältigen. Deswegen sollten wir den Haushaltsplan auch unter dem Gesichtspunkt der gesellschaftlichen Teilhabe und dem Aspekt der sozialen Gerechtigkeit betrachten.
Die Eckdaten des Haushalts sind hinlänglich bekannt:
Die Schlüsselzuweisungen haben sich nochmal deutlich erhöht und liegen mit über 5,3 Millionen über dem Ansatz bei nun über 43,7 Millionen. Insgesamt weist der Haushaltsplan im Ergebnishaushalt einen Fehlbedarf von 13,5 Millionen, bei Gesamtaufwendungen von knapp 223,8 Millionen, auf. Mit der Festsetzung eines Höchstbetrags der Liquiditätskredite auf 50.000.000 Euro hat die Stadt einen Handlungsspielraum erwirkt, der Zahlungsfähigkeit ermöglicht und damit Verlässlichkeit signalisiert – ein Signal, das in dieser Krise nur positiv aufgenommen werden kann. Die Hebesätze der Gewerbesteuer bei 380 zu belassen und nicht, wie von der Linken gefordert, zu erhöhen, erhielt im HFA ein einmütiges Votum. Eine der großen Aufgaben in den kommenden Jahren wird es sein, die Konjunktur anzukurbeln, um am Ende – auch mit den 12 Milliarden aus dem Sondervermögen „Hessens gute Zukunft sichern“ – gut durch die Krise zu kommen.
Die Kommunen brauchen Planungssicherheit und Stabilität, damit sie trotz geringerer Gewerbesteuer- und Einkommensteuereinnahmen ihren Verpflichtungen gerecht werden können. Das „3-Milliarden-Corona-Hilfspaket“ des Landes unterstützt die Stadt Fulda bei dieser gewaltigen Aufgabe.
Das Sondervermögen des Landes hilft den Kommunen, dass sie nicht der Krise „hinterhersparen“ müssen.
Jedoch sollten wir bedenken, dass bei den jetzigen Investitionen zum Erhalt der Arbeitsplätze, der sozialen und kulturellen Infrastruktur Nachhaltigkeit und Digitalisierung gleich mitgedacht werden müssen. Der Klimawandel schreitet weiter fort und die Menschen, die sich bei FFF engagieren, haben recht, wenn Sie auch in der Corona-Krise unmissverständlich auf die Dringlichkeit des Problems hinweisen. „Wer das Verhängnis nicht leugnet wird handlungsfähig“ – so lautet eine Rezension des Buches „Diese Zivilisation ist gescheitert“ im Frühjahr dieses Jahres. Ja – es ist und bleibt höchste Zeit, jetzt zu handeln, und die Erfahrungen aus der Corona-Krise können und sollten Impulse geben.
Und da sind wir bei den Themen Verkehrswende, Klima-, Natur- und Umweltschutz.
Maßnahmen ergreifen, die zur Reduzierung des Individualverkehrs führen, das Radfahren und die Nutzung des ÖPNV attraktiver machen und Baumbestände mit Hilfe von Baumschutzsatzungen als CO2-Speicher für das Stadtklima erhalten – da sind viele andere Städte schon deutlich weiter. Der Ausbau der Radwegeverbindungen vor allem um Fulda herum ist gut – ja, wer auf dem Fulda-Radweg R1 am Wochenende mit der Familie radelt, der genießt eine idyllische Mittelgebirgslandschaft wie aus dem Bilderbuch. Wehe dem, der vom Hauptbahnhof zur Hochschule unterwegs ist oder über den Frauenberg radelt – Parkstreifen überall, egal wo wir hinschauen. Das Ergebnis des ADFC-Tests steht noch aus, das letzte war verheerend.
Lassen Sie mich im Hinblick auf die vereinbarte Redezeit ohne große Erläuterungen die Abstimmungsergebnisse zusammenfassend vortragen:
Lärmblitzer – mehrheitlich abgelehnt, Erhöhung des Mittelansatzes „Radwegebau allgemein“ auf 500.000 Euro – mehrheitlich abgelehnt und der Klassiker: die Ausweisung der Friedrichstraße zum Fußgängerbereich als Verkehrsversuch für die Dauer eines Jahres, Anlieferungsverkehr über die Nonnengasse – mehrheitlich abgelehnt!
Verbindliche Installation von Solaranlagen auf städtischen Gebäuden – mehrheitlich abgelehnt, Festschreibung von Bauauflagen (Photovoltaik) bei neuen Bebauungsplänen – mehrheitlich abgelehnt, Erstellung und Einführung einer Baumschutzsatzung – erneut mehrheitlich abgelehnt, Taubenschläge in der Innenstadt – mehrheitlich abgelehnt, obwohl wir wissen, dass das Taubenhaus in schicker Stadtrandlage nicht dem urbanen Lifestyle unserer Tauben entspricht.
Ein paar kleine Erfolge gibt es jedoch auch zu verzeichnen. Der Antrag zur Mittelbereitstellung für ein Programm der „Dezentralen CO2-freien Energieversorgung“ im Baugebiet Waidesgrund wird zumindest als Berichtsantrag angenommen, Gespräche mit den Gemeinden der Stadtregion, ein gemeinsames Nahverkehrsangebot zu schaffen, werden geführt, weitere Bahnhaltepunkte werden zumindest geprüft.
Im Produktbereich Umweltschutz sind wir die einzige Fraktion, die Anträge eingebracht hat. Öffentliche Trinkbrunnen wurden jedoch erneut abgelehnt, ein Spülmobil zur Vermeidung von Einweggeschirr ebenso. Immerhin wurde die Kampagne zur Vermeidung von Lichtverschmutzung für private Haushalte begrüßt – dem „Sternenhimmel sei Dank“, dass dieser Antrag von Deutschlands erster Dark-Sky-Community nicht abgelehnt wurde.
Die Corona-Pandemie wirkt wie ein Brennglas für gesellschaftliche Missstände, und zum jetzigen Zeitpunkt können wir die langfristigen wirtschaftlichen, sozialen und gesellschaftlichen Folgen sicherlich noch nicht vollumfänglich überschauen.
Mit welcher Härte manche Personengruppen diese Krise zu spüren bekommen, ist recht unterschiedlich. Es macht einen Unterschied, ob man während der Corona-Pandemie Sorge hat, den Arbeitplatz zu verlieren, oder die Arbeit problemlos ins Homeoffice verlegen kann, es macht einen Unterschied, ob man alleinerziehend ist oder eine/n Partner/in zur Seite stehen hat, es macht einen Unterschied, ob man während des Lockdowns mit Kindern auf engem Wohnraum ohne Internetzugang oder in einem Haus mit Garten lebt.
Doch leider sind insbesondere im Bereich der Kindertagesbetreuung, der Schulträgeraufgaben und der Wohnbauförderung kaum Anträge der Oppositionsfraktionen angenommen worden. Fulda ist Schlusslicht beim Ausbau des „Pakts für den Nachmittag“, hat nach wie vor keine IGS, und daran wird sich wohl auch so schnell nichts ändern.
Ein zusätzliches Betreuungsangebot und Hilfen für Alleinerziehende wurden ebenso abgelehnt wie vier weitere Sozialarbeiterstellen in der Kinder- und Jugendarbeit und wie der immer wieder von uns gestellte Antrag auf Gründung einer städtischen Wohnungsbaugesellschaft zur Förderung sozialen Wohnraums.
Unser Antrag auf Beitritt in das WHO-Netzwerk „Age-friendly-cities“ wurde auch abgelehnt, obwohl gerade damit gewährleistet werden könnte, dass man älteren Menschen erhöhte Aufmerksamkeit schenkt – so auch im Bereich der Gesundheitsprävention. Angesichts der Tatsache, dass gerade ältere Menschen von Corona am schwersten betroffen sind und wir gute Maßnahmen und eine gute Vernetzung zum Schutz dieser vulnerablen Personen brauchen, eine fragwürdige Entscheidung.
Auch wird aus unserer Sicht unzureichend auf die Situation des Homeschoolings reagiert. Laut Bürgermeister Wehner stehen unseren Schüler*innen an den weiterführenden Schulen ausreichend Präsentationstechniken für Live-Stream-Unterricht zur Verfügung, zusätzliche personelle Unterstützung der IT-Abteilung werde nicht benötigt und die Beschaffung von Raumluftreinigungsgeräten – insgesamt 10 Geräte – sind in der Abstimmung, mehr brauche man nicht. Ich frage mich an dieser Stelle, ob das unsere Fuldaer SuS, die Eltern- und Lehrervertreter*innen unserer Schulen auch so sehen.
Aber – es gibt auch einige positive Aspekte, die ich ausdrücklich hervorheben möchte – da sind die Bemühungen der Stadt Fulda, kulturelle Einrichtungen und Künstler*innen in der Krise zu unterstützen (50.000 Euro Notfallfonds), die umsichtige Planung des Hessentags und der Landesgartenschau und der gemeinsame Wille, den Platz der ehemaligen Synagoge zu einem würdigen Ort des Gedenkens zu gestalten.
Aber die Krise als Chance für den Beginn einer sozial-ökologischen Transformation zu sehen – das ist nicht gelungen. Der Haushaltsplan ist kein großer Wurf, er blickt bei den wichtigen Themen unserer Zeit – im Bereich der Verkehrs- und Energiewende, des Klimaschutzes, der Nachhaltigkeit, des sozialen Wohnungsbaus, der Verbesserung der Chancengleichheit in der Bildung eher versonnen in die Vergangenheit, statt besonnen handelnd in die Zukunft. Deshalb braucht es in Fulda zukünftig „mehr GRÜN“ in politischer Verantwortung – wir sind gerne bereit, Verantwortung zu übernehmen.
Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen lehnt nach abschließender Beratung den Haushaltsplan 2021 ab, dankt aber an dieser Stelle ausdrücklich den vielen Mitarbeiter*innen der Verwaltung, die wie jedes Jahr Außergewöhnliches geleistet haben. Ein herzliches Dankeschön auch an alle anderen städtischen Mitarbeiter*innen, an unsere Erzieher*innen, die Mitarbeiter*innen des Klinikums und an alle im Ehrenamt Tätigen, die täglich dazu beitragen, dass wir weiterhin gut durch diese Krise kommen.
Herzlichen Dank und Danke für Ihre Aufmerksamkeit – bleiben Sie gesund.
Fulda, am 18. Dezember 2020
Silvia Brünnel
Fraktionsvorsitzende Bündnis 90/DIE GRÜNEN