Zur katastrophalen humanitären Situation im Gazastreifen

Parallel zu einer Schriftlichen Frage an die Bundesregierung habe ich bei einer wichtigen Veranstaltung der Heinrich-Böll-Stiftung deutlich gemacht: Die vollständige Blockade von Hilfslieferungen durch die israelische Regierung ist nicht nur moralisch unhaltbar, sondern ein klarer Bruch des humanitären Völkerrechts. Auch der neue US-israelische Hilfsmechanismus, der unter Ausschluss der UN die Zwangsvertreibung sogar noch begünstigt, muss zwingend abgelehnt werden. Die Bundesregierung muss sich unmissverständlich für die Öffnung humanitärer Korridore und zuverlässige und ungehinderte humanitäre Hilfe entlang der humanitären Prinzipien und gegen die Politisierung von Hilfe einsetzen. Humanitäres Völkerrecht gilt auch für Verbündete! Die Veranstaltung wurde aufgezeichnet. Ihr findet sie auf meiner Website.

Die schriftliche Antwort der Bundesregierung auf meine Frage zur völkerrechtlichen Bewertung des Aushungerns der Zivilbevölkerung in Gaza ist ernüchternd. Angesichts der dramatischen humanitären Lage ist eine klare völkerrechtliche Einordnung jedoch dringend geboten. Öffentlichen Aussagen hochrangiger israelischer Regierungsmitglieder, in denen unter anderem eine vollständige Blockade und die Behinderung humanitärer Hilfe angekündigt oder gefordert wurden, muss eine deutliche Absage durch die deutsche Bundesregierung folgen.

Das Auswärtige Amt verweist zwar auf die Unterstützung einer gemeinsamen Außenministererklärung zur humanitären Lage und den Respekt gegenüber den zuständigen internationalen Gerichten. Die Antwort der Bundesregierung bleibt jedoch auffallend unkonkret und droht hinter erreichte Positionen zurückzufallen, etwa wenn es um die Frage geht, ob die Bundesregierung das gezielte Aushungern der Zivilbevölkerung als mögliches Kriegsverbrechen im Sinne des Römischen Statuts bewertet. Hier darf es keine Unsicherheit geben.

Die Glaubwürdigkeit internationaler Normen und nicht zuletzt der menschenrechtliche Anspruch deutscher Außenpolitik dürfen nicht zur Verhandlungsmasse mit einer israelischen Regierung werden, die offenkundig völkerrechtliche Standards ignoriert. Wer die Völkerrechtsordnung verteidigen will, muss auch enge Partner kritisieren, wenn diese die Ordnung verletzen oder von internationalen Institutionen angeklagt werden. Es braucht den Mut, menschenrechtliche Maßstäbe konsequent anzuwenden und das Vertrauen in internationale Institutionen nicht nur zu beschwören, sondern aktiv zu stärken.

Boris Mijatović, Ausschuss für Menschenrechte und humanitäre Hilfe

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