Haushaltsrede 2022
Hatten wir vor einem Jahr noch gehofft, dass Ende 2021 die Pandemielage sich weitergehend erledigt hat, so erleben wir jetzt, dass die große Zahl Ungeimpfter die schon überwunden geglaubte Krisenlage wieder enorm verschärft hat. Hinzu kommt das jüngste Auftauchen einer neuen Virusvariante, deren Auswirkungen bisher kaum abzuschätzen ist. Beides hat dazu geführt, dass die Verantwortlichen die Einschränkungen insbesondere für den Kreis der Ungeimpften spürbar verschärfen mussten. Für uns sind diese Einschränkungen der persönlichen Freiheiten notwendig, um das Leben und die Gesundheit der vielen Anderen zu schützen. Neben den sogenannten Vulnerablen sollten wir dabei besonders an die Kinder denken, die, so weiß man heute schon, zu den Hauptbetroffenen gehören. Ein Komplettlockdown für Kitas und Schulen sollte daher unbedingt vermieden werden. Ich fände es daher sehr begrüßenswert, wenn die Impfpflicht für alle ab 12 Jahren bald umgesetzt würde und wir in einem Jahr vielleicht nicht mehr Corona als zentrales gesellschaftliches Thema behandeln müssen.
Was sich in der Coronalage bisher weniger besorgniserregend entwickelt hat ist die Lage der Kommunalfinanzen. Das konnte man vor einem Jahr noch schwer abschätzen. Die Tatsache, dass das Rechnungsergebnis für 2020 um über 3,3 Mio€ besser ausfiel als geplant und selbst die Verwaltung für 2021 optimistisch ist, zeigt, dass Bund und Land uns ausreichend unterstützt haben. So kann man auch das kommende Jahr, was die Finanzen betrifft, optimistisch angehen, auch wenn im Ergebnishaushalt eine Defizit von 1,5 Mio€ geplant ist. Der Finanzhaushalt ist mit knapp 300 T€ schon positiv und das Defizit von ca. 2,5 Mio€ bei den Investitionen ist wenigstens 1 Mio€ geringer, da diese als Pensionsrückstellungen geparkt werden sollen.
Allein die Angabe von ca. 20 Mio€ Rücklagen am Ende des Jahres macht deutlich, wie günstig sich die Finanzlage für Künzell darstellt, selbst wenn Teile davon Reste für geplante Investitionen sind. Manche der dabei gebuchten Beträge erscheinen uns als Phantombuchungen, wie beispielsweise 3,2 Mio€ für Grunderwerb und 1,3 Mio€ fürs Gewerbegebiet, weil diese Beträge bei tatsächlicher Realisierung wieder als Einnahmen zurückfließen. Auf die 1,75 Mio für den Parkplatz am Gemeindezentrum will ich hier jetzt nicht eingehen.
So bleibt beim aktuell vorliegenden HH 2022 vieles ähnlich wie in den Vorjahren. Auffallend sind aber im Erg.HH wie schon im letzten Jahr die Veränderungen bei der Kinderbetreuung. Zur Erfüllung der gesetzlichen Mindestbestimmungen und zur Inbetriebnahme des neuen Kindergartens Zauberwald sind zusammen 17,5 neue Stellen erforderlich. Schon letztes Jahr waren es 10,5 stellen. Da hatten wir Sorgen, ob man das Personal dafür finden kann. Erfreulicherweise ist dies weitgehend gelungen. So hoffen wir, dass mit einem frühen Start bei der Suche nach Erzieherinnen und Erziehern man auch im nächsten Jahr erfolgreich ist und der Kindergarten komplett in Betrieb gehen kann. Da auch das Land Hessen seine Zuschüsse erhöht, bleibt zunächst das Defizit für diese Aufgabe mit ca. 3,6 Mio€ gleich hoch. Uns ist es das wert. Der Kitabereich ist eine der wichtigsten Aufgaben der Kommunen und hat in den letzten Jahren deutliche Veränderung erfahren.
- Wir haben heute die Kinder unter 3 Jahren zu einem hohen Prozentsatz in den Einrichtungen,
- die Eltern der ü3-Kinder sind von Kosten weitgehend entlastet und
- der Personalschlüssel wurde an die Notwendigkeiten angepasst.
Das sind Veränderungen, die dem Bedarf der Familien entsprechen, das ist Familienfreundlichkeit. Wir hoffen aber auch, dass mit dem neuen Kindergarten der Bedarf an Plätzen erst einmal gedeckt ist.
Die geplanten Investitionen tragen wir mit. Sie gehen weitgehend in den Bereich Straßen, beinhalten dabei aber auch einige Maßnahmen der Radinfrastruktur. Das ist ein spürbarer Fortschritt gegenüber den vergangenen Jahrzehnten. Die von uns eingeforderten Radwegekonzepte auf kommunaler Ebene zusammen mit der finanziellen Unterstützung des Landes und des Bundes fangen an zu wirken. Damit könnte eine Zunahme des Radverkehrs auch im Alltag stattfinden sowohl für die Berufstätigen als auch bei den Schülerinnen und Schülern, wodurch mit einer Abnahme des motorisierten Individualverkehrs die Lebensqualität zunähme.
Wo wir aber überhaupt nicht zufrieden sind, ist beim Thema Klimaschutz. Zwar liegt jetzt nach 2 Jahren endlich ein sehr dünnes Klimaschutzkonzept vor, das engagierte Eintreten für dessen Umsetzung vermissen wir aber weitgehend (Das werfe ich nicht dem Autor vor.). Abgesehen von den noch vorhandenen 20 T€ aus dem letzten Jahr und dem Antrag der SPD zu Solaranlagen können wir seitens der Verwaltung fast nichts finden, was dem Anspruch einer Klimaschutzpolitik genügen würde. Wir haben daher als ersten Schritt die Schaffung einer Stelle für Klimaschutzmanagement gefordert. Sie ist dringend erforderlich um, in den nächsten Jahren den Vorgaben aus Berlin gerecht zu werden.
Ich möchte sie daran erinnern, was zu diesem Thema im letzten Jahr passiert ist. Die von der großen Koalition getragene Bundesregierung musste erfahren, dass ihr angeblich so vorbildliches Klimaschutzgesetz vom Bundesverfassungsgericht als unzureichend eingestuft wurde. Die Zukunft der jungen Generation sei gefährdet und verbindliche Ziele müssten verschärft werden, waren die Aussagen des Gerichtes. Die Aktivitäten von Gruppen wie „fridays for future“ haben die Bundesregierung zum Handeln gezwungen. So hat man rasch neue Ziele benannt, wie 65% CO2-Reduzierung bis 2030 gegenüber 1990 und Klimaneutralität bis 2045. Bedenkt man, dass wir in Künzell in den vergangenen 10 Jahren gerade mal 10% geschafft haben, so wird deutlich wie intensiv und wie schnell wir uns um Maßnahmen zur Senkung der Emissionen von Klimagasen bemühen müssen. Die Ziele der gestern angetreten Koalition gehen noch weiter. So soll der Kohleausstieg bis 2030 erreicht werden und der Anteil der Erneuerbaren an der Stromproduktion auf 80% gesteigert werden. Das hat Auswirkungen nicht nur für die Gemeinde, sondern für uns alle. Wir können uns nicht hinstellen und darauf warten was auf Bundes- und Länderebene passiert, der Klimaschutz wird vor Ort umgesetzt und wird auch von uns erhebliche Investitionen einfordern. Zwar ist die Coronapandemie momentan das beherrschende Thema, man kann aber davon ausgehen, dass es bald wieder das Klimathema sein wird und das nicht nur in Gegenden wie an Ahr und Erft, wo die Menschen die Auswirkungen des veränderten Klimas schon als Katastrophe erlebt haben. Ein Weitermachen wie bisher ist nicht mehr denkbar. Die Gemeindevertretung hat sich nach der Kommunalwahl deutlich verjüngt. Es geht um ihre Zukunft und die ihrer Kinder kann ich da den Jüngeren nur sagen.
Eng verbunden mit dem Klimathema ist das Thema „Artenschutz“ mit dem Aspekten Insektensterben und Bienensterben. Bei diesem Thema spielt die Landwirtschaft eine große Rolle, aber auch wir alle, wenn wir zu viele Flächen versiegeln. Wir können uns vorstellen, dass mit einem Wettbewerb zum Entsiegeln dieses Thema öffentlichkeitswirksam behandelt werden kann auch unter dem Aspekt Hochwasserschutz. Der Bürgermeister erhofft sich mehr, wenn die Samentütchen für Blühstreifen und –wiesen ab dem nächsten Jahr kostenlos abgegeben werden. Darauf haben wir uns jetzt verständigt. Das ändert aber nichts daran, dass wir diesen Aspekt auch in Zukunft weiterhin im Auge behalten müssen.
Für uns unbefriedigend sind weiterhin die Bedingungen im ÖPNV der Gemeinde. Da schnelle Verbesserungen bei den Nahverkehrsplänen leider nicht zu erwarten sind, können wir uns durch die Einrichtung von AST-Verkehren wenigstens kleine Steigerungen des Angebots vorstellen. Das was jetzt als Kompromiss im HFA zu unserem Antrag herausgekommen ist, kann aus unserer Sicht nur ein Anfang sein.
Ähnlich traurig sieht es beim Thema Wohnraum und insbesondere „bezahlbarer Wohnraum“aus, wo keine Weiterentwicklung zu erkennen ist. Es reicht nicht aus, wenn man auf Investoren vertraut, die frei werdende Grundstücke im Innenbereich erwerben und bebauen. Sie haben in der Regel andere Ziele, nämlich eine möglichst hohe Rendite. Sollten wir wirklich mal wieder in Besitz größerer Flächen in Künzell-Bachrain, Pilgerzell, Dirlos oder Engelhelms kommen, so muss klar sein, dass deren Vermarktung nur unter Einbeziehung von Konzepten mit bezahlbarem Wohnraum erfolgen kann. Auch das Vorhandensein von Baulücken und Leerständen muss aktiver angegangen werden, nicht nur um dem RP einige ha Siedlungsfläche abzuringen.
Nicht vergessen sollten wir den Bereich des sozialen Zusammenlebens. Angebote für Jugendliche und Senioren müssen nach der Phase der Kontaktvermeidung wieder engagiert angegangen werden. Kontakte und Gespräche sind die Voraussetzung für ein verträgliches und demokratisches Zusammenleben. Dies gilt auch für die aktuellen Konflikte beim Thema Impfen. Entschieden bekämpfen muss man aber die Rechtsextremen, die die Ängste mancher Menschen aufgreifen, um ihr Süppchen zu kochen, das aus Antisemitismus, Fremdenfeindlichkeit und zum Teil aus gewalttätiger Bekämpfung unserer Institutionen besteht.
Angesichts der von mir aufgezählten Mängel und der Tatsache, wie mit unseren Anträgen im HFA umgegangen wurde, ist für uns eine Zustimmung zum Haushalt nicht denkbar.
Bei den Mitarbeiter*innen der Verwaltung bedanken wir uns für die geleistete Arbeit, die in diesem Jahr sicher nicht einfacher war.